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Das Uhthoff-Phänomen – oder auch: Warum hört es nicht auf zu kribbeln?

Kolumne von Lisa

Ich erinnere mich noch ganz genau, als wäre es gestern: Anfang 2020. Ich bin gerade im Fitnessstudio angekommen und möchte mich aufwärmen. Ich steige auf den Stepper und da ist es schon wieder: dieses verdammte Kribbeln in meinen Beinen. Dabei ist der Schub schon drei Monate her. Hört das denn nie auf? Es wird immer stärker und ich wärme mich nur ganz kurz auf. Bei den Kraftübungen wird es wieder besser, aber ich fühle mich trotzdem wackelig auf den Beinen und zudem einfach unwohl.

Ich beende mein Training und mache mich auf den Heimweg. Vor der Wohnungstür angekommen, bemerke ich, dass es erneut in meinen Beinen kribbelt. Es macht mich so wahnsinnig, dass ich schreien könnte! Doch im Laufe der Monate lässt das Kribbeln insgesamt nach und kommt nicht mehr so oft und so schnell wie früher. Heute kann ich dem Kind einen Namen geben: Uhthoff-Phänomen.

 

Was ist das Uhthoff-Phänomen?

Vom Uhthoff-Phänomen spricht man, wenn sich MS-Symptome durch eine Erhöhung der Körpertemperatur oder durch äußere Wärmeeinwirkung vorübergehend verschlechtern, verstärken oder die allgemeine Leistungsfähigkeit abnimmt. Die Ursachen können verschieden sein. Sport, warme Umgebungstemperaturen, Sauna, Fieber nach einer Infektion, und vieles mehr. Als die Symptome meines ersten offiziellen MS-Schubs noch präsenter waren – also das Kribbeln in den Beinen – habe ich das Kribbeln abends im Bett stärker wahrgenommen als tagsüber. Genauer gesagt hatte ich tagsüber das Gefühl, das Kribbeln sei verschwunden, und abends unter der Bettdecke war es dann wieder da. Anfangs konnte ich das überhaupt nicht zuordnen: die Wärme, das Kribbeln. 

Ich dachte mir: Vielleicht nehme ich meinen Körper jetzt einfach intensiver wahr, wenn ich ruhig liege, wenig Ablenkung und kaum Reize um mich herum habe (was vielleicht auch teilweise dazu beigetragen hat). Später dämmerte es mir allerdings, als ich auf dem Beifahrersitz eines Autos saß und die Sitzheizung voll aufdrehte (es gibt nichts Besseres als Sitzheizung im Winter, oder?): erneut die Wärme und das Kribbeln!

Vom Uhthoff-Phänomen hatte ich schon vorher gehört, aber erst dann brachte ich es mit meinen Symptomen in Verbindung, die sich in bestimmten Situationen verstärkten. Beim Sport, beim Spazierengehen, in der mit warmem Wasser gefüllten Badewanne, unter der warmen Bettdecke am Abend – und eben auf dem Beifahrersitz mit Sitzheizung. 

Das war für mich der Aha-Moment! Endlich hatte ich eine Erklärung. Dazu muss ich auch sagen, dass ich noch Symptome von einem früheren Schub „übrig“ hatte. Es hat einfach sehr, sehr lange gedauert, bis die Symptome insgesamt zurückgegangen sind. Da hat natürlich auch der Zeitpunkt eine Rolle gespielt.

 

Wie ist es heute? 

Heute habe ich deutlich seltener kribbelnde Beine, aber gelegentlich kommt es noch vor. Vor allem eben in Verbindung mit Wärme. Aber heute weiß ich, dass es wieder weggeht. Ich mache mir deswegen auch keine riesigen Sorgen mehr, wie das früher noch der Fall war.
Was ich allerdings heute schon deutlich spüre: wie mein Körper mit der Hitze zu kämpfen hat. Gerade jetzt im Sommer, wenn die Temperaturen auf dem Thermometer nach oben klettern, fühle ich mich abgeschlagen, platt und dauernd müde. Auch merke ich, dass meine Leistungsfähigkeit abnimmt. Die Fatigue ist in vollem Gange, denn auch die kann durch Hitze verstärkt werden.

 

Fakten zum Uhthoff-Phänomen

Das Uhthoff-Phänomen, auch „Pseudo-Schub“ genannt, ist benannt nach dem Augenarzt Wilhelm Uhthoff, der bei MS-Patient*innen eine vorübergehende Verschlechterung der Sehschärfe beobachtete, die nach körperlicher Anstrengung auftrat. Viele MS-Patient*innen kennen das Phänomen: Etwa 80 Prozent sind davon betroffen. Die beruhigende Nachricht ist, dass die Symptome meist schnell wieder abklingen. Nämlich dann, wenn die Temperatur sinkt. Vermutlich ist eine verschlechterte Leitfähigkeit der geschädigten Nerven, die bei erhöhter Körpertemperatur oder Hitzeeinwirkung vermehrt auftritt, Grund für die Verschlimmerung der Symptome. 

 

Tipps gegen das Uhthoff-Phänomen

Aber was kann man gegen das Uhthoff-Phänomen tun? Und kann man überhaupt etwas dagegen tun? Meine Erfahrung ist: Ganz ausschalten kann man es nicht. Allerdings gibt es ein paar hilfreiche Tipps, mit denen man besser durch die Hitze und auch den Sommer kommt. Hitze ist ein gutes Stichwort, denn was mir und auch vielen anderen MSlern hilft, ist: kühlen, kühlen, kühlen! Dabei kann man auf verschiedene Hilfsmittel zurückgreifen: ein kühlendes Gel, was man auf die Haut aufträgt, Kühl-Pads oder auch einfach mal die Handgelenke oder das Gesicht für ein paar Sekunden mit kaltem Wasser abspülen. Es gibt viele Möglichkeiten, um den Körper etwas herunterzukühlen.

Mein persönlicher Favorit sind kühlende Schütteltücher, die man unter kaltes Wasser hält, gut auswringt und dann kräftig schüttelt und sich dann beispielsweise um die Schultern hängen, um den Kopf binden oder um die Beine legen kann. Der kühlende Effekt ist super angenehm! Ich mag auch gerne Wassersprays, die man sich auf die Haut sprüht (gibt es in der Drogerie zu kaufen). Für einen besseren Effekt kann man sie auch in den Kühlschrank stellen. Auch Kühlwesten verwenden einige MSler. Damit habe ich jedoch noch keine Erfahrungen gemacht.

 

Zusammengefasst die wichtigsten Tipps, die primär im Sommer gegen Hitze helfen:

  • Viel (kühles) Wasser trinken
  • Wasserhaltige Obst- und Gemüsesorten essen, wie z. B. Wassermelone oder Gurke
  • Räume im Sommer möglichst kühl halten, morgens und abends durchlüften, wenn die Temperaturen gesunken sind; tagsüber Jalousien herunterlassen und Fenster geschlossen halten
  • Wassersprays oder kühlende Hautgele
  • Kühl-Pads
  • Schütteltücher
  • Kühlende Kleidung wie Kühlwesten oder -armbänder
  • Starke körperliche Anstrengung in der Hitze vermeiden, besser früh morgens oder später am Abend Sport treiben
  • Tagsüber die pralle Sonne meiden

 

Keine Angst vor Uhthoff!
Das heißt aber nicht, dass ihr nie wieder in die Sauna gehen, ein heißes Bad nehmen oder die Sonne für ein paar Minuten genießen dürft. Wie immer gilt: Achtet auf euch und hört auf euren Körper und seine Signale! Dann kann eigentlich nichts schiefgehen. Ich vertrage Saunagänge beispielsweise hervorragend. Wie immer ist die MS hier sehr individuell. Wenn ihr Lust habt, in die Sauna zu gehen, dann tastet euch langsam heran und schaut, wie euer Körper reagiert. Und wenn ihr merkt, dass euch die Hitze im Sommer nicht guttut, dann probiert mal die oben genannten Tipps aus. Und lasst euch den Sommer davon nicht verderben.

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Wer schreibt hier?

Lisa ist durch die MS-Erkrankung ihrer Mutter schon früh in ihrem Leben mit Multipler Sklerose in Berührung gekommen, was sie sehr geprägt hat. Als sie 2019 selbst die Diagnose erhielt, veränderte sich ihr Blickwinkel auf die Erkrankung. 
Heute teilt sie ihre Erfahrungen rund um das Leben mit MS auf Instagram und ihrem Blog. Sie hat Ökotrophologie und Ernährungswissenschaften studiert und arbeitet – neben ihrem Hauptjob – als Beraterin für Healthcare-Unternehmen, um diese für die Bedürfnisse und die Perspektiven von Menschen mit MS zu sensibilisieren und mehr Bewusstsein zu schaffen. Sie möchte anderen Betroffenen Mut machen, über MS und chronische Erkrankungen aufzuklären, Vorurteile abzubauen und für mehr Verständnis in der Gesellschaft zu sorgen. Vor allem ist es ihr wichtig zu zeigen, dass MS unglaublich individuell ist und wir doch alle eines gemeinsam haben: Niemand muss damit allein sein. 




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